Warum Zürich

«Die Entscheidung für Zürich war und ist verbunden mit der Frage
<Wo stehen wir heute?>. Denn die Zürcher Perspektive
erlaubt einen ungewÖhnlichen Blickwinkel auf die
gegenwÄrtige Krise Europas.»  

Hedwig fijen, Direktorin der MAnifesta

 

 


2 Minuten mit Hedwig Fijen und Corine Mauch

Warum findet die manifesta 11 in zürich statt? 

Alle zwei Jahre sucht sich die Manifesta eine neue Gaststadt aus. Sie befasst sich dabei mit dem genius loci des jeweiligen Ausstellungsortes und dient als Denkanstoss zur Auseinandersetzung mit Fragen zu Lebensstil, Arbeitsumfeld, Geisteshaltung und Zukunftsaussichten im Kontext der immer dringlicher werdenden Herausforderungen in Europa im Zusammenhang mit wirtschaftlichem Abschwung, Migration und Klimawandel. Die Manifesta stellt ausserdem Untersuchungen und Hypothesen darüber an, wie sich dadurch unsere Lebensumstände, unsere Ansichten und unsere Gesellschaft insgesamt verändern. Als Wanderveranstaltung ist die Manifesta so in der Lage, eine facettenreiche und laufende Analyse der kulturellen Befindlichkeit in Europa zu liefern.


Unter dem Thema What People Do for Money: Some Joint Ventures lenkt die Manifesta 11 die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang zwischen (Kunst-)Schaffen und (gewerbsmässiger) Arbeit. Es ist ein Konzept, das in unserem postindustriellen Zeitalter von besonders grosser Bedeutung ist – nicht nur hier in Zürich, sondern auf der ganzen Welt.

Die Manifesta 11 in Zürich ist eine Art kollektives Experiment, das der Frage der städtischen Identität anhand von Begegnungen mit ihren Einwohner nachgeht. Was machen wir mit unserem Leben? Wie arbeiten wir zusammen? Unsere Hoffnung ist, dass die Manifesta 11 alle Besucherinnen und Besucher zu solchen Fragen anregt und ihnen neue und spannende Wege hin zur zeitgenössischen Kunst aufzeigt.

Wer wählt die Gastgeber-Städte der Manifesta aus? 

Jede europäische Stadt kann sich als Gastgeberin einer Manifesta-Ausstellung bewerben. Das entsprechende Bewerbungskonzept ist in der Regel ausschlaggebend dafür, welche Stadt oder Region vom Vorstand der International Foundation Manifesta in Amsterdam als Gastgeberin ausgewählt wird. Die Direktorin der Manifesta Stiftung, Hedwig Fijen, wählt dabei diejenige Stadt aus, die insofern am besten zur strategischen Vision von Manifesta passt, als sie einen bestimmten Wandel oder auch den gegenwärtigen Stand der Dinge in Bezug auf den Umgang mit Klimawandel und Migration verkörpert. Aus diesem Grund interessiert sich die Manifesta als Biennale speziell für Gaststädte im Mittelmeerraum, wo die Auswirkungen der Migration aufgrund des Klimawandels im Zusammenleben in unseren städtischen Umgebungen sowie in der zukünftigen Organisation unserer Städte besonders stark sicht- und greifbar werden. Gelegentlich sucht der Vorstand der Manifesta auch selbst nach geeigneten Städten oder Regionen.

Welche Rolle spielt die historische Bedeutung von Zürich als Kunststadt? 

Zürich stellt sein grosses Potenzial als Kunststadt mit einer reichen Diskurskultur einmal mehr unter Beweis. Die Geburtsstätte von Dada, des Zentrums für «Neues Bauen», der Ausgangspunkt der «Guten Form», des Schweizer Grafikdesigns und der konkreten Künstler Max Bill und Richard Paul Lohse möchte mit der Manifesta 11 einen weiteren kunsthistorischen Impuls setzen. Die Manifesta 11 ergänzt die Feiern rund um das hundertjährige Dada-Jubiläum um eine zeitgenössische, internationale und visionäre Dimension. 


2 Minuten mit Hedwig Fijen und Peter Haerle

Wer hat den Kurator ausgewählt und welche Rolle spielt er? 

Bei dieser Manifesta-Ausgabe traf ein speziell dazu eingerichteter Ausschuss mit Repräsentanten des Gastgebers und der Manifesta-Stiftung die Kuratorenauswahl. Auf der Grundlage einer ersten Besprechung wurden drei Kandidaten eingeladen, die Stadt zu erkunden und der Auswahlkommission einen sehr präzisen Vorschlag für das Konzept der Manifesta 11 vorzustellen. Mit Christian Jankowski ist nun zum ersten Mal ein Künstler alleiniger Kurator einer Manifesta. 

Warum wurde ein künstler als kurator der manifesta 11 ausgewählt?

Der Video- und Konzeptkünstler Christian Jankowski wurde aufgrund der Kernprinzipien seiner künstlerischen Arbeit als alleiniger Kurator der Manifesta 11 ausgewählt: Kollaborationen, die Einbindung neuer Berufsgruppen, welche davor nichts mit Kunst zu tun hatten, und seine Überlegungen zu massenmedialen Formaten. Diese Prinzipien sind auch in Jankowskis Konzept für die Manifesta 11 zentral: What People Do for Money: Some Joint Ventures regt eine direkte Interaktion zwischen lokalen Zielgruppen und dem Prozess der künstlerischen Praxis an.

Warum ist die Manifesta mehr als eine Ausstellung? 

Die Manifesta ist mehr als die Summe einzelner Ausstellungen, sie ist eine Biennale mit Forschungsauftrag. Alle zwei Jahre initiiert sie mit ihrem Ausstellungsprojekt auch ein Forschungsvorhaben, das Europas geopolitische und kulturelle Landschaft erkundet. Auf der Grundlage ihrer Geschichte, ihrer sich ständig wandelnden Identität und der urbanen Bedingungen erforscht die Manifesta die speziellen Gegebenheiten eines regionalen kulturellen Kontextes – wie im Jahr 2016 Zürich. 

Welche Menschen spricht die Manifesta 11 an? 

Die Manifesta 11 spricht die verschiedensten Zielgruppen an: Neben den Menschen der Stadt und der Region und allen, die beruflich mit Kunst zu tun haben, vor allem auch kulturnahe Touristen. Der hohe Vermittlungsanspruch und das umfangreiche Begleitprogramm der Manifesta sichern auch den Dialog mit jüngeren Kunstinteressierten. Die Parallel Events, die zu jeder Ausgabe stattfinden, laden die bestehende lokale Kulturszene in Stadt und Region ein, an einem gemeinsamen Rahmenprogramm teilzunehmen. 

Wie politisch ist die Manifesta? 

Die Manifesta agiert als Spiegel der sozio-politischen und kulturellen Bedingungen ihrer Gastgeberstadt. Gleichzeitig reflektiert sie die allgemeine geopolitische Situation in einem Europa, welches sich mehr denn je einer Krise gegenübersieht, welche sich in den gegenwärtigen Debatten zu Themen der Wirtschaft und Migration zeigt. Die Manifesta entstand in der stürmischen Zeit rund um den Fall der Berliner Mauer als Antwort auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche nach dem Ende des Kalten Krieges. Als umherziehende Biennale, bringt die Manifesta neue Zielgruppen hervor, welche die Fähigkeit der zeitgenössischen Kunst, die Auseinandersetzung zwischen lokalen Gemeinschaften, politischen regierungsunabhängigen Organisationen und NGOs zu erweitern, vorantreiben. Sie dient als Plattform und Ressource für einen kritischen Diskurs über soziopolitische und kulturelle Zustände in der Gastgeberstadt und in ganz Europa. 

Wie wird die Manifesta 11 organisiert? 

Die erwähnten Parteien – die Manifesta-Stiftung mit Sitz in Amsterdam und die Stadt Zürich – haben eine neue private Stiftung für die Manifesta 11 gegründet. Die Stiftung Manifesta 11 Zürich, unter der Leitung von Hedwig Fijen, ist für die internationale und lokale Förderung und die praktische Umsetzung des Konzepts verantwortlich. 

Wie wird die Manifesta 11 finanziert? 

Die Manifesta 11 entsteht in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich und der Manifesta-Stiftung in Amsterdam. Wie bei jeder Manifesta-Ausgabe unterstützen diese die Städte und Regionen mit Beiträgen logistischer wie finanzieller Natur. Der jeweilige Gastgeber, in diesem Falle die Stadt Zürich, ist verantwortlich für die grundlegende Finanzierung durch öffentliche wie private Förderer, die Manifesta-Stiftung für die internationale Non-Profit-Förderung sowie die Generierung zusätzlicher Gelder. 

Wie politisch unabhängig ist die Manifesta? 

Sie ist unabhängig von politischen Parteien oder kommerziellen Unternehmen und ist eine private, nichtkommerzielle Organisation mit festem Stiftungssitz (aber konsequent nomadischer Ausrichtung). Der Stiftungsvorstand verfolgt das Prinzip der «Code Cultural Governance», wie es das niederländische Kultusministerium formuliert hat, um Verhältnismässigkeit und Transparenz zu gewährleisten. 

Wo wird die Manifesta 12 stattfinden, und warum dort?

Die Manifesta 12 wird 2018 in der sizilianischen Hauptstadt Palermo stattfinden.

Palermo war dem Vorstand der Manifesta-Stiftung deshalb wichtig, weil die Stadt zwei bedeutende Thematiken repräsentiert, die für das heutige Europa identitätsstiftend sind: Migration und Klimawandel haben grossen Einfluss auf unser Leben. Die vielschichtige und ereignisreiche Geschichte der Stadt Palermo, die von praktisch jeder europäischen Kultur einmal besetzt wurde und seit über 2000 Jahren Beziehungen zu Nordafrika und dem östlichen Mittelmeerraum pflegt, hat ihre Spuren in einer multikulturellen Gesellschaft im Zentrum des Mittelmeers hinterlassen.

Die Manifesta 12 wird der Frage nachgehen, welche Rolle kulturelle Interventionen spielen können, indem den Einwohnern von Palermo die Möglichkeit gegeben wird, ihre Stadt zurückzuerobern. Die Manifesta 12 nimmt dabei die Funktion einer Keimzelle oder eines Gründerzentrums wahr und unterstützt lokale Gruppierungen bei ihren kulturellen Interventionen: Dadurch soll die Stadt in ihren sozioökonomischen und kulturellen Strukturen neu wahrgenommen und ihr bestehendes inoffizielles Profil als Plattform für gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden.

Wo wird die Manifesta 13 stattfinden und warum dort?

Die Manifesta 13 wird 2020 in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille stattfinden.

Von der Odyssee bis zur aktuellen Flüchtlingskrise stellt Marseille einen Ort dar, der die Bedeutung und Präsenz des Mittelmeers in der historischen Konstruktion der europäischen Identität veranschaulicht. Mehr denn je zuvor müssen Wasser und Umweltprobleme als Bezugspunkte der politischen Ökologie im Rahmen vergangener und aktueller Konflikte begutachtet werden. Das Stadtgebiet von Marseille bietet eine ideale Kulisse für die Vorstellung einer nicht-dualistischen Wiederaneignung der Natur innerhalb der Gesellschaftsform einer Stadt, die auf bestem Weg ist, eine Metropole zu werden. Die Durchführung der Manifesta 13 in Marseille, der zweitgrössten Stadt Frankreichs, wird die Gelegenheit bieten, sich über eine Betrachtung der Vergangenheit aus der Perspektive der Bevölkerung und im öffentlichen Raum mit den aktuellen Herausforderungen für Europa zu befassen. Dabei werden mit Sicherheit verschiedenartige, mehrschichtige und schlagkräftige Stimmen und Kunstformen zum Ausdruck kommen.

Wie werden die zentralen Themen der Manifesta in palermo und marseille weitergeführt?

Die Städte Palermo und Marseille haben beide einen starken Bezug zum Meer. In beiden Städten stehen Migrations-, Wirtschafts- und Umweltfragen seit je im Mittelpunkt. Diese Fragen stellen sich durch die aktuellen weltwirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Entwicklungen und Umbrüche immer dringender, und somit eignen sich diese beiden Städte ideal als Forschungsgrundlage für die Manifesta.