Konzept

 

WHAT PEOPLE DO FOR MONEY – SOME JOINT-VENTURES
Arbeit ist immer mehr als nur Geldverdienen. So beeinflusst der Beruf, den wir ausüben, stark unsere eigene Wahrnehmung als Individuum, aber auch wie wir von anderen wahrgenommen werden. Nach einer längeren Zeit der Berufsausübung beginnen wir, wie ein Lehrer zu sprechen, wie ein Verkäufer zu reisen, wie ein Barkeeper zu trinken oder wie ein Banker zu denken.

Manifesta 11 beschäftigt sich mit Berufen, Berufungen und der Fragestellung, in welcher Beziehung sie zu zeitgenössischer Kunst stehen. Sie trachtet danach, Kunst in unerwarteten Kontexten und in Beziehung zu Berufsleuten aus den verschiedenen Branchen zu sehen. Jedes neue Kunstwerk resultiert aus einer Begegnung – einem «Joint Venture» – zwischen einem internationalen Künstler und einem Bewohner Zürichs. Zu Beginn der Projekte erhielt jeder geladene Künstler eine vom Institut für Soziologie der Universität Zürich zusammengestellte Liste mit über 1.000 Berufen, die aktuell in der Stadt ausgeübt werden. Jeder Künstler wählte einen der Berufe aus und Manifesta 11 fand den passenden «Gastgeber». Die «Gastgeber» nahmen ihre Künstler sprichwörtlich an die Hand, im Idealfall holten sie sie direkt vom Flughafen ab und zeigten ihnen anschliessend ihren Arbeitsplatz und die Stadt. Die Beziehungen, die sich zwischen ihnen entwickelte, sind sehr unterschiedlich – aber dank der Erfahrung der jeweiligen «Gastgeber» und ihrer Verbindungen innerhalb der Stadt, war das Resultat der Kollobarationen immer eine künstlerische Arbeit.

Alle «Joint Ventures» manifestieren sich an drei verschiedenen Schauplätzen: In einer Kunstinstitution, einem Raum für Kunst; in einem Satelliten, einem Ort in der Nähe des «Gastgebers»; und auf dem Pavillon of Reflections, einem neuen Ort, der speziell für die Manifesta 11 gebaut wurde. Hier wird jedes Projekt in filmischer Form reflektiert. Zusätzlich wird das Cabaret Voltaire, der Geburtsort von Dada, für die Dauer der Biennale zu einer Bühne für die Joint-Venture-Performances verwandelt und ist Heimat für die neu gegründete Zunft der Künstler.

THE HISTORICAL EXHIBITON: SITES UNDER CONSTRUCTION
Die «Joint-Ventures» in den Institutionen Löwenbräukunst und Helmhaus werden von einer weiteren Serie bereits existierender Kunstwerke sowie nicht-künstlerischer Objekte der letzten fünfzig Jahre flankiert, die auf Gerüsten montiert sind. The Historical Exhibition: Sites Under Construction, co-kuratiert von Francesca Gavin, bietet verschiedene Sichtweisen auf die Beziehung zwischen Kunst und Berufen und stellt die Frage, warum und wie Künstler Ideen und Prozesse anderer Berufe porträtiert, hinterfragt und mit ihnen interagiert haben.

PAVILLON OF REFLECTIONS
Der Pavillon of Reflections ist eine architektonische Ikone der Manifesta 11: Ein riesiges Holzfloss auf dem Zürichsee, das zugleich als Open-Air-Kino und als Schwimmbad fungiert. Designt und entwickelt wurde er – mit der großzügigen Unterstützung der EKZ Zürich – von Studierenden des Studios Tom Emerson an der ETH Zürich. Auf dem Pavillon of Reflections werden täglich Filme vorgeführt, die von Studierenden der ZHdK, Bereich Film, gedreht wurden. Die Filme zeigen «Art Detectives», Schüler und Studenten aus Zürich und Umgebung, die die Künstler und Gastgeber während der Herstellung ihrer Werke begleitet und befragt haben. Am Ende dieser Filme sieht man, wie die neuen Kunstwerke bei den Vernissagen in den Satelliten den Berufskollegen, Kunden und Freunden der Gastgeber gezeigt werden. Man schaut also anderen Menschen dabei zu, wie sie Kunst betrachten und analysieren; Reflexion und Rezeption liegen hier nah beieinander bzw. überlappen sich.

CABARET DER KÜNSTLER – ZUNFTHAUS VOLTAIRE
Cabaret der Künstler – Zunfthaus Voltaire ist die siebenundzwanzigste Zunft in Zürich: die erste Zunft für Künstler überhaupt, aber auch die erste gender-neutrale. Die Neugründung ist inspiriert vom Format der Zürcher Zünfte, in denen Berufsgruppen ihre Interessen gemeinsam vertreten. Wie alle Zünfte hat die Zunft der Künstler auch einen Zunftmeister: Der Künstler Manuel Scheiwiller wurde in diese Rolle berufen und gestaltet mit Manifesta 11-Kurator Christian Jankowski den experimentellen Performance-Ort für Joint-Venture-Performances. In diesen Performances treten je ein Künstler zusammen mit einer Person eines anderen Berufs auf der Bühne der Zunfthalle auf. Jeder, der an einer Joint-Venture-Performance teilnimmt, wird automatisch Mitglied der Zunft und ist somit eingeladen, jedem weiteren Performance-Abend beizuwohnen – ganz im Stil der Tauschwirtschaft.

Die radikale Umgestaltung des alten Cabaret Voltaires in ein nüchternes Firmengebäude erfolgte unter der Leitung von ETH Professor Dr. Alex Lehnerer mit seinen Assistenten und Studenten in Zusammenarbeit mit seinem Büropartner Savvas Ciriacidis (Ciriacidis Lehnerer Architekten).

Ein Kunstwerk ist meiner Meinung nach nicht dazu da, direkt zu argumentieren. Ich finde es viel interessanter, wenn ein Kunstwerk sowohl ein Lob ausspricht, also eine Hommage an etwas ist, und es gleichzeitig untergräbt und kritisch befragt. Erst in dieser Zwickmühle beginnt der Betrachter zu überlegen: «Wie ist das jetzt gemeint?» oder «Wie sehe ich selber dieses Thema?»

Auch wenn er moralisch aufgeladen klingt, so ist der Titel «What People Do for Money» doch nur eine einfache Frage. Der Biennale geht es weder nur um Geld, noch einzig um Arbeit. Zuallererst geht es in einer Kunstbiennale um Kunst. Am Ende, wenn die Kunst präsentiert wird, können wir sicher sein, dass sie uns demaskieren wird.

 

Quelle Infografik: Statistisches Jahrbuch der Stadt Zürich 2014 / Bedeutung der Branchen in der Stadt Zürich